Ein Eurofighter Typhoon des Jagdgeschwaders JG 74 der Deutschen Luftwaffe.
02:39 Uhr lokal. Weit über die Grenzen des Luftwaffenstützpunktes
Neuburg/Donau hinaus hörbar ertönt in kurzen Abständen ein durchdringender
Hupton. Licht, das durch die sich langsam öffnenden Tore der Flugzeugunterstände
auf die Rollwege der Shelterschleife fällt, signalisiert, welche Maschinen
für den Alpha-Scramble, einen Alarmstart mit scharfen Waffen, bereit sind.
Minuten später rollt eine Alarmrotte Eurofighter Typhoon in hohem Tempo
in Richtung Startbahn.
Das JG 74 ist für die Luft-
raumüberwachung im Süden Deutschlands verantwortlich. Szenarien wie
eingangs geschildert gehören seit Mitte 2008 beim JG 74 zum Alltag der
Eurofighterpiloten. Nach rund sechs Monaten Parallelbetrieb mit F-4F und EF,
bei dem die von der Phantom übernommenen Alarmierungs- und Einsatzverfahren
für die QRA auf den Eurofighter übertragen, erprobt und angepasst
wurden, informierte die Luftwaffe am 3. Juni 2008 die NATO, dass die QRA (I)
(Quick Reaction Alert Interceptor) - Verpflichtung ab sofort mit dem Waffensystem
Eurofighter durchgeführt wird. Das JG 74 stellt dafür vier Flugzeuge,
zwei Maschinen als Alarmrotte und zwei Ersatzflugzeuge, bereit.
Jeder Flieger ist mit zwei Lenkflugkörpern kurzer Reichweite IRIS-T (bzw.
AIM-9L) und scharf aufmunitionierter Bordkanone bewaffnet. Theoretisch können,
abhängig von der aktuellen Bedrohungslage, auch AMRAAM-Flugkörper
mitgeführt werden.
Der Eurofighter 30+40 ist für die Luftraumüberwachung mit zwei IRIS-T
Lenkwaffen und der 27mm Bordkanone bewaffnet sowie mit einem 1.000 Liter Zusatztank
ausgestattet.
Die Alarmrotte ist in einer ständigen 15-Minuten-Bereitschaft (Readiness
State 15), die 24 Stunden am Tag über 365 Tage im Jahr aufrecht erhalten
wird. Je nach Ereignisfall kann die Bereitschaftszeit vom CAOC 2 (Combined Air
Operation Center) in Kalkar, das für Deutschland zuständig ist, via
CRC (Command and Reporting Center) auf zehn, fünf oder zwei Minuten herabgesetzt
werden. Bei Bedarf ordnet das CAOC auch den Alarmstart mit Auftrag zur Identifizierung
des Zielobjekts an. Noch auf dem Weg zur Runway oder kurz nach dem Start erhält
der Pilot die notwendigen Informationen. Unmittelbar nach dem Start übernimmt
das CRC und kontrolliert den Flug. Der Gefechtsstand des Einsatzführungsdienstes
leitet die Jagdflugzeuge, bis das Zielobjekt vom Bordradar erfasst wird. Mit
Sichtkontakt wird festgestellt, ob es sich um ein Flugzeug gemäß
Flugplan handelt. Liegen Verdachtsmomente vor und handelt es sich um ein Militärflugzeug,
bleibt die Verantwortung weiter bei der NATO, bei zivilen Maschinen geht diese
in die nationale Zuständigkeit über.
Eurofighter Typhoon 30+40 in seinem Shelter.
Eurofighter Typhoon 30+32 rollt auf die Startbahn zu.
Flugstunden auf den Eurofightern werden derzeit vor allem dazu verwendet,
die Erfahrung mit dem neuen Flugzeug zu vertiefen sowie die bisher erarbeiteten
Qualifikationen zu erhalten. Zum taktischen Training gehören unter anderem
simulierte Abfang-Einsätze (Tango-Scramble) und Luftkämpfe. Ein Übungsschwerpunkt
ist derzeit speziell auf Link-16 ausgerichtet. Partner dafür sind vor allem
AWACS-Maschinen.
Nachteinsätze stehen bei einer 24 Stunden Luftraumüberwachung an der
Tagesordnung und müssen entsprechend trainiert werden.
Unabdinglich für einen funktionierenden Rund-um-die-Uhr-Einsatzbetrieb
sind Nachtflüge. Jeder Pilot muss seine Nachtlandeberechtigung aufrecht
erhalten sowie zur Scheinverlängerung sechs Nachtflugstunden pro Gültigkeitsjahr
nachweisen. Nachtflüge werden wegen des früheren Einbruchs der Dunkelheit
schwerpunktmäßig von September bis April während der so genannten
Spätflugwochen trainiert. Dabei beginnt der Flugdienst um ca. 15 Uhr, die
aus Lärmschutzgründen einzige Nachtflugphase beginnt etwa um 20:30
Uhr. Geübt werden Navigation und Intercepts, die Rückkehr erfolgt
bis spätestens 23:00 Uhr. Die letzten Techniker verlassen um 2:00 Uhr früh,
manchmal auch später, den Fliegerhorst. Derzeit fliegen die Piloten ohne
Nachtsichtunterstützung. Die Integration von NVG ist mit Einführung
des EF-Avionikhelms HEA (Helmet Equipment Assembly) vorgesehen.
Ein Artikel von Erich Strobl.