Vier Tage nach der Vertragsunterfertigung für 225 neue PANDUR Evolution 6×6 wurden der Fliegerabwehr-Variante und der Firma Rheinmetall Air Defence am 23. Februar 2024 eine eigene Bühne geboten.
Im Rahmen des 1,8 Mrd. EUR schweren PANDUR-Pakets wurden auch 36 Fahrzeuge in der Fliegerabwehr-Variante MTPz FlA bestellt. Für neun weitere MTPz FlA wurde eine Option vereinbart. Neben dem Fahrzeughersteller GDELS Steyr ist hier die Firma Rheinmetall Air Defence wichtigster Vertragspartner. Rheinmetall spricht von einem Auftragsvolumen „im mittleren dreistelligen Mio-EUR-Bereich“, das wären um die 500 Mio. EUR und damit möglicherweise etwa ein Viertel des PANDUR-Gesamtauftrags. In diesem Betrag sind dem Vernehmen nach nicht nur die Turm-Systeme selbst, sondern auch Zusatzleistungen und ein Munitionspaket enthalten. Die PANDUR Trägerfahrzeuge selbst sind jedoch Teil des GDELS Steyr Moduls. Die Auslieferung soll 2027 bis 2030 erfolgen.
Im Bereich der mobilen Fliegerabwehr gibt es derzeit eine eklatante Fähigkeitslücke – nicht nur beim Bundesheer. Angesichts der steigenden Bedrohungen aus der Luft durch Drohnen, Loitering-Flugkörper usw. kann heute kein Verband ohne begleitende Fliegerabwehr den Kasernenhof verlassen. SKYRANGER 30 wurde genau dafür neu entwickelt.
„Mit dem „Skyranger“ sind wir künftig in der Lage, Fähigkeitslücken in der mobilen Luftverteidigung zu schließen. Österreich erhält als erstes Land Europas die neuen Fliegerabwehrsysteme und übernimmt damit eine einzigartige Pionierrolle in der bodengebundenen Luftverteidigung. Mit der Firma Rheinmetall Air Defence haben wir einen kompetenten Partner gefunden, mit dem eine ausgezeichnete Zusammenarbeit möglich ist. Durch die Neuentwicklung von Rheinmetall Air Defence gehen wir einen weiteren wichtigen Schritt für den Erhalt der Sicherheit Österreichs!“
Verteidigungsministerin Klaudia Tanner anlässlich der Präsentation
Das SKYRANGER 30 System
SKYRANGER 30 ist ein mobiles Fliegerabwehrsystem, bei dem Maschinenkanone, Lenkwaffen, Radar und Optiken in einem kompakten Turm vereint wurden. Die Besatzung beträgt maximal vier Personen, um das Fahrzeug und das SKYRANGER 30 System zu bedienen. Der Turm ist noch nicht fertig entwickelt. Auf der AIRPOWER24 wird ein Prototyp mit einem Turmmodell vorgestellt:

Maschinenkanone: SKYRANGER 30 verwendet die gasdruckgeladene Oerlikon Revolverkanone KCE-ABM im Kaliber 30 mm x 173. Sie hat eine hohe Feuergeschwindigkeit von wahlweise 1.200 Schuss/min (20 Schuss pro Sekunde!) oder 200 Schuss/min. Die einzelne KCE-ABM feuert damit schneller als die beiden Kanonen der 35 mm Zwillingsfliegerabwehrkanone 85 gemeinsam. Die Mündungsgeschwindigkeit beträgt 1.050 m/s. Einsatzschussweite bis 3.000 m. Die KCE-ABM ist 3 m lang und wiegt 142 kg.
Verschossen wird Oerlikon AHEAD Air Burst Munition. Jedes beim Geschoss enthält 162 Subprojektile mit einem Gewicht von je 1,24 Gramm. Je nach Entfernung des Ziels zerlegt sich das beim Mündungsdurchlauf programmierte Geschoß zum richtigen Zeitpunkt und erzeugt eine Schrapnellwolke in der Flugbahn des Ziels, wodurch auch kleinste und wendigste Drohnen bekämpft werden können. So kann auch ein einzelner SKYRANGER einem Schwarmangriff entgegenwirken. Die PANDUR-Version soll 300 Schuss Munition mitführen können.

Lenkwaffen: Am Turm sind zwei feuerbereite MISTRAL 3 Boden-Luft-Lenkwaffen auf einem versenkbaren Starter angebracht (SKYRANGER kann grundsätzlich auch mit anderen Lenkwaffen ausgestattet werden). Die MISTRAL 3 von MBDA ist der Nachfolger der beim Bundesheer bereits eingeführten leichten Fliegerabwehrlenkwaffe lFAL MISTRAL und wird auch tragbar beschafft (MISTRAL – Missile Transportable Antiaerien Leger).
Die lFAL MISTRAL 3 kann Ziele in 8 km Entfernung und in 6 km Höhe bekämpfen. Sie verfügt über einen Infrarot Suchkopf (Fire-and-Forget), Laser-Annäherungs- und Aufprallzünder. Geschwindigkeit bis zu 3.350 km/h. Die Lenkwaffe wiegt 19,7 kg und ist 1,88 m lang.


Links: Lenkflugkörper MISTRAL 3 © MBDA / Rechts: ATLAS-RC Werfer für vier MISTRAL 3 auf PANDUR Evolution Demonstrator © Doppeladler.com
Sensorik: Die im Turm integrierte Sensorkombination aus Radar, Elektrooptik und Infrarot ermöglicht die selbstständige Erfassung von Zielen in über 50 km Entfernung. Das ist mehr als dreimal so viel Reichweite wie beim bisherigen Feuerleitgerät 98 SKYGUARD der Fliegerabwehr.
Das integrierte 360 Grad Suchradar wird am PANDUR-Turm mit 3 x 120 Grad AESA-3D-Paneelen realisiert, welche äußerlich als rechteckigen Platten erkennbar sind. Es handelt sich um das Hensoldt SPEXER 2000M 3D MkIII Radar (Puls-Doppler-X-Band). Kleinstdrohnen können auf 5 km zuverlässig detektiert und von Vögeln unterschieden werden. Flugzeuge werden auf 20 km erfasst.
Am Turmdach ist eine stabilisierte Sensoreinheit montiert, welche mit Tageslicht- und Infrarot-Kameras sowie Laserentfernungsmesser bestückt ist. Die gleiche Einheit wird bei der Oerlikon Multi-Sensor Unit MSU verwendet, welche für die 35 mm Fliegerabwehrkanonen beschafft wurde.
Auch die im SKYRANGER verwendete Führungs- und Kontrollarchitektur SKYMASTER mit integrierter Freund-Feind-Erkennung IFF wurde soeben für die Führung der 35 mm Zwillingsfliegerabwehrkanonen 85 und MISTRAL 3 beschafft. Damit werden die Ausbildung und die Vernetzung vereinfacht. Bei der Zielklassifikation bzw. der Priorisierung der Ziele nach der größten Bedrohung hilft dem Kommandanten eine KI. Dieser weist dem Schützen die Ziele zu.
Der Fliegerabwehr-PANDUR kann dank seiner integrierten Sensorik autonom betrieben werden. Allerdings wird jedes Fahrzeug in das System Goldhaube integriert sein und das Luftlagebild aller angeschlossenen Sensoren erhalten. Damit kann der PANDUR beispielsweise Ziele auch passiv über die Optiken anvisieren, ohne selbst verräterische Radaremissionen auszustrahlen.

Der Turm musste abspecken
Gemeinsam mit der PANDUR-Arbeitsgemeinschaft von GDELS Steyr und Bundesheer hat Rheinmetall für das Bundesheer eine leichtere Variante des SKYRANGER 30 Systems entwickelt, wobei die Gewichtseinsparung nicht auf Kosten der Leistungsfähigkeit gehen sollte. Kommt der einsatzbereite Turm im Normalfall auf etwa 4 Tonnen, wird die maßgeschneiderte Variante laut dem für die Entwicklung zuständigen Brigadier Georg Kollmann mit zwei MISTRAL 3 Lenkwaffen und 300 Schuss Munition unter 3 Tonnen wiegen. Es entfällt die Turmdachluke und ein Radar-Panel. Die Turmpanzerung wurde reduziert. Der Turm ist ohnehin unbemannt.
Auch die 36 PANDUR Evolution 6×6 Trägerfahrzeuge werden gegenüber der Standardvariante gewichtsoptimiert und an kritischen Stellen verstärkt, um eine höhere Nutzlast aufnehmen zu können.
Marktdurchbruch
Österreich ist das erste Land, welches einen Kaufvertrag für SKYRANGER 30 unterzeichnet hat und stößt damit die Serienfertigung an. Der Hersteller bezeichnet den Auftrag als „Marktdurchbruch“, rechnet jedoch mit einer zeitnahen Beauftragung aus Deutschland (auf Boxer 8×8), Dänemark (auf Piranha V 8×8) und Ungarn (auf Schützenpanzer Lynx).
Für Rheinmetall Air Defence ist es der zweite bedeutende Großauftrag aus Österreich innerhalb kurzer Zeit. Erst am 12. Dezember 2023 wurde der Vertrag zur umfangreichen Modernisierung der 35 mm Zwillingsfliegerabwehrkanone 85 (35 mm ZFlAK 85) inkl. Feuerleitsysteme unterzeichnet (Skyguard Next Generation – NG).


Der bei der Präsentation in der Rossauer-Kaserne am 23.02.2024 ausgestellte Turm war die „schwere Variante“, welche für den GTK BOXER 8×8 vorgesehen ist. Links der BOXER mit SKYRANGER 30 System © Rheinmetall / Rechts: Die Präsentation von SKYRANGER 30 in der Rossauer Kaserne mit Oliver Dürr – CEO der Rheinmetall Air Defence, Verteidigungsministerin Tanner und Bundeskanzler Nehammer © BKA/A. Wenzel
Mobile Fliegerabwehr – Ein Rückblick
Das Österreichische Bundesheer besitzt schon seit Anfang der 1990er Jahre keine wirklich mobile Fliegerabwehr mehr. Der Fliegerabwehrpanzer M-42 / M-42A1 Duster wurde 1962 bis 1994 verwendet. Er basierte auf dem M-41 und war mit einer 40 mm Zwillingsfliegerabwehrkanone ausgestattet. In Summe wurden 36 Stück verwendet. Nach dem Ausscheiden der DUSTER waren Pinzgauer 712 6×6 mit 2 cm FLAK 58 und später dann mit Lafette für die lFAL MISTRAL das, was einer mobilen Fliegerabwehr am nächsten kam. Der MISTRAL-Pinzgauer ist heute noch im Bestand.


Links: Fliegerabwehrpanzer M-42 / M-42A1 Duster © Doppeladler.com / Rechts: Pinzgauer 712 6×6 mit lFAL MISTRAL © Doppeladler.com
Im Video
Weiterführende Links:
- Österreich schließt mit Skyranger Lücken in der Luftverteidigung; bundesheer.at; 23.02.2004
- Marktdurchbruch in Österreich: Rheinmetall liefert Skyranger 30; rheinmetall.com; 23.02.2024
- Bundesheer bekommt Luftabwehrsystem für neue Pandur-Panzer; derstandard.at; 23.02.2024
- Oerlikon Skyranger mobiles Flugabwehrsystem; rheinmetall.com; 24.02.2024
Titelbild: Präsentation von SKYRANGER 30 in der Rossauer Kaserne mit Oliver Dürr – CEO der Rheinmetall Air Defence, Verteidigungsministerin Tanner und Bundeskanzler Nehammer © BKA/A. Wenzel