Das österreichische und das niederländische Verteidigungsministerium haben ein Memorandum of Understanding (MoU) zur gemeinsamen Beschaffung von Transportflugzeugen EMBRAER C-390 MILLENNIUM unterfertigt. Die Niederlande beschaffen demnach 9 Stück C-390 vom brasilianischen Hersteller. 4 Stück werden an das Bundesheer weitergegeben. Die 39-seitige Grundsatzvereinbarung bekräftigt auch die Absicht beider Länder in den Bereichen Ausbildung und Wartung zusammenzuarbeiten. Auf dieser Grundlage können nun die eigentlichen Vertragsverhandlungen finalisiert werden. Die weiteren Schritte sind ein Vorvertrag (Project Arrangement) und schließlich die Vertragsunterzeichnung des Kauvertrags.
Nach der Ankündigung der Typenentscheidung am 20. September 2023, wonach die EMBRAER C-390 der C-130 Hercules als Transportflugzeug des Bundesheeres nachfolgen soll, war viel zu viel Zeit verstrichen. Das war wohl auch den Wahlen in den Niederlanden im November 2023 geschuldet, denn die Regierungsbildung beim Partnerstaat verlief schwierig. Und auch jetzt könnte es noch bis in den Sommer dauern, bis die Vertragsdetails im niederländischen Parlament durch sind. Erst danach kann die Vertragsunterzeichnung erfolgen. Frühestens ab 2027 könnte dann die erste C-390 in Österreich landen. Doch auch in Österreich lauert im September 2024 eine Nationalratswahl samt Regierungsverhandlungen …
Am Bemühen von EMBRAER wird es wohl nicht scheitern: Anfang März war eine hochrangige Delegation in Wien, um vom Programmstand C-390 zu berichten und technische Vorgaben abzuklären. Es wurde betont, dass die gewünschte Ausstattung bis Jahresmitte feststehen muss, damit die Maschinen auch rasch geliefert werden können. Laut João Bosco da Costa Junior, Präsident Embraer Defense & Security, sind bereits Slots auf den Fertigungslinien für die Niederlande und Österreich reserviert. Doch wenn der Vertrag nicht bald komme, würden andere Aufträge vorgereiht. Außerdem ist EMBRAER bereit, über Übergangslösungen nachzudenken, um die altersschwachen C-130K früher aus dem Betrieb nehmen zu können.
Ungarn erhielt erste Maschine
Zwischenzeitlich hat Nachbar Ungarn am 12.04.2024 die erste von zwei bestellten C-390 übernommen. Die Bestellung erfolgte im November 2022.
EMBRAER und die österreichisch-brasilianischen Wirtschaftsbeziehungen
Am 18. April 2024 wurde außerdem ein MoU zwischen EMBAER und der AICAT (Austrian Industrial Cooperation & Aviation Technology) zur Intensivierung der Zusammenarbeit unterzeichnet. Die AICAT ist eine ARGE der Wirtschaftskammer Österreich, welche rund 100 Unternehmen im Luftfahrt-Bereich vertritt. Die heimische Wirtschaft ist also fest entschlossen, die Aufmerksamkeit des drittgrößten Flugzeugherstellers bestmöglich zu nutzen. EMBRAER-Chef Gomes Neto rechnet damit das Auftragsvolumen für Zulieferer aus Österreich von rund 300 Mio. EUR in den letzten 5 Jahren auf rund 600 Mio. EUR in den kommenden fünf Jahren zu verdoppeln. Beide Seiten stellen jedoch klar, dass es sich hierbei nicht um Gegengeschäfte oder Vertragsbedingungen zum beabsichtigten C-390 Ankauf handelt. EMBRAER ist auf Wachstumskurs und möchte bis 2030 seinen Umsatz verdoppeln. Eine Verdoppelung der Auftragsvolumen wäre daher ein anteilsmäßiges Mitwachsen der Geschäftsbeziehungen. Österreichs wirtschaftliche Beziehungen mit Brasilien, dem wichtigsten Markt Südamerikas, sind ausbaufähig. Nur 0,5 Prozent der heimischen Exporte gingen im vergangenen Jahr nach Brasilien.
Weiterführende Links:
- Nächster Schritt bei Nachbeschaffung der C-130 Hercules gesetzt; bundesheer.at; 19.04.2024
- Drängen auf Vertrag für Hercules-Ersatz; derstandard.at; 12.03.2024
- Embraer signs MoU with AICAT to improve cooperation with the Austrian aerospace industry; embraer.com; 18.04.2024
- Embraer-Chef: Österreichs Unternehmen winken Aufträge im Volumen von 600 Millionen Euro; derstandard.at; 18.04.2024
Titelbild: EMBRAER KC-390 MILLENNIUM (Transporter/Tanker) der brasilianischen Luftstreitkräfte © EMBRAER